Showdown im M-Wave

AUTHOR: Gastauthor Monday, March 3, 2008 TOPIC: Eisschnelllauf

Winter 1998, Nagano: Im Aufsehen erregend geformten „M-Wave“, der Olympischen Heimstätte des Eisschnelllaufs, purzeln die Weltrekorde nur so – weil der Klappschlittschuh das 400-m-Oval erobert. Claudia Pechstein läuft über 5000 m im letzten Rennen noch um 4 Hundertstelsekunden an Gunda Niemann-Stirnemann vorbei auf den Goldplatz, und über 3000 m siegt Niemann vor „Pechi“ und „Nesthäkchen“ Anni Friesinger. Zehn Jahre später kommt es in der Eishalle von Nagano erneut zum Saison-Showdown: Von 6. bis 9. März steigen in der japanischen 400.000-Einwohner-Stadt die Einzelstrecken-Weltmeisterschaften.

Einige von damals dürfen sich weitere Sammelstücke für ihre Edelmetall-Vitrine ausrechnen. Zum Beispiel Anni Friesinger, damals 21 Jahre jung, die inzwischen ihre Liebe zur 1000-m-Strecke entdeckt hat. 55 Weltcuprennen gewann sie bis heute, acht davon in diesem Winter über den glatten Kilometer. „Natürlich, ich stehe in Japan als Favoritin am Start“, weiß die blonde Bayerin, „und ich wünsche mir, dass ich meine Top-Form von zuletzt konserviert habe.“ Dann sollte nichts schief gehen, denn gegenüber der Konkurrenz aus den Niederlanden, aus Fernost oder aus Kanada war die Zeitdifferenz einfach zu deutlich. Bahn frei für WM-Sieg Nr. 14?

Wenn nicht gerade das Eis in der mächtigen Mehrzweckhalle (bis 16.000 Plätze) gefriert, kämpfen Raubeine im American Football um das Leder-Ei oder rocken Bands bei Konzerten ab. Doch in den nächsten Tagen gehört der Palast den Schlittschuh-„Gladiatoren“. Wie Claudia Pechstein, die in diesem Winter einige Male mit der „Holzmedaille“ als Vierte heimkehrte und sich auch für die Allround-WM in „ihrem“ Berlin so viel vorgenommen hatte. Kopf hoch, Claudia: Nagano hat schon damals Glück gebracht! Auf den langen Strecken bleibt die 36-Jährige eine ganz Große – das unterstreicht nicht zuletzt der 2. Platz im Gesamt-Weltcup hinter der Tschechin Martina Sablikova.

Mit seiner geschwungenen Dachform, die das Gebirge der japanischen Alpen rund um Nagano widerspiegelt, wird die M-Wave-Arena sicherlich auch Jenny Wolf gefallen. Vorausgesetzt, sie bleibt ihrer Devise treu: Drei Geraden und zwei Kurven lang permanent Vollgas, dann eine Ehrenrunde für die Siegerin. Kann über 500 m überhaupt etwas anbrennen? Nachdem die mehrfache Weltrekordlerin „aus dem Training heraus“ die Sprint-Weltmeisterschaft in Heerenveen gewonnen hatte (Platz 2 für Friesinger), ist sie nun „mit weniger Druck“ nach Nippon gereist. Ihr Weltcupsieg Nr. 25 schloss ein überragendes Jahr ab, zur Krönung liegt die Goldmedaille auf ihrer Spezialdisziplin über den halben Kilometer gewissermaßen „abholbereit“ auf dem Oval. Wenn da nicht die „große Unbekannte“ wäre, wie Wolfs Trainer Thomas Schubert die Chinesin Beixing Wang nennt. Die machte sich in der zweiten Saisonhälfte rar im internationalen Vergleich.

Elf DESG-Damen und acht Herren sind letzte Woche ins Land der aufgehenden Sonne gereist, um noch einmal letzte Kräfte nach einer langen Saison freizumachen. Daniela Anschütz-Thoms hofft nach mehreren Top-Platzierungen in den Weltcuprennen ebenso auf eine kleine Überraschung wie Aufsteigerin Katrin Mattscherodt oder die Sprinterinnen Judith Hesse und Heike Hartmann. Einige Ausrufezeichen setzten die Männer von Bundestrainer Bart Schouten, mit Top-10-Rängen über 1000 m für Samuel Schwarz oder auf den langen Kanten für Tobias Schneider. Ob es beim Finale eine Sensation zu feiern gibt? Eher (noch) nicht. Hoffnungen setzt das „starke Geschlecht“ auf die WM-Teamverfolgung, das letzte Rennen des Winters am Sonntagabend (Ortszeit). Diese Chance auf Edelmetall im „Dreierpack“ wollen aber natürlich auch die erfolgverwöhnten deutschen Damen in Nagano, wo sich das Wetter derzeit nicht zwischen warmer Sonne und Schneefall entscheiden kann, ergreifen. Danach soll der asiatische Frühling – Naganos Blumensymbol ist die Apfelblüte – beginnen.