Der deutsche Eisschnelllauf nach Pyoenchang

AUTHOR: Gastauthor Sunday, February 25, 2018 TOPIC: Eisschnelllauf

DESGphoto Robert Bartko DESGphoto / L. Hagen

Nach den abschließenden Rennen im Massenstartrennen ist es nun an der Zeit ein obligatorisches Fazit zu ziehen. Obwohl die Hoffnungen und der Optimismus im Vorfeld der Spiele (berechtigt) groß waren, wurden es die zweiten olympischen Spiele in Folge, an denen die deutschen Eisschnellläufer keine Medaille holen konnten. Mehr noch – die Leistungen von Sotchi wurden abermals unterboten.

Waren bei den letzten Spielen mit Platz 4 und 5 für Claudia Pechstein, sowie Nico Ihle und Samuel Schwarz noch denkbar knapp an den Medaillenrängen dran, so verfehlte man in diesem Jahr mit 3x Platz 8 das Podium schon sehr deutlich. Die Leistungsträger waren erneut dieselben, die es auch schon vor 4 Jahren richten sollten. Und so sollte man wahrscheinlich nicht nur die Frage stellen, was ist passiert, sondern vielmehr, was ist nicht passiert in den letzten 4 Jahren?

Es bleibt abzuwarten, wie die interne Auswertung der gezeigten Leistungen bei Olympia seitens der DESG ausfallen wird. Auffallend ist in jedem Fall, dass die deutschen Sportler nicht auf den Punkt zum absoluten Saisonhöhepunkt fit waren. Dies ist umso verwunderlicher als das es sich vor allem auch, um die Erfahrenen im Team handelt.

Eine kleine Geschichte der olympischen Zeit

Im Jahr “1” nach Sotchi gab es viele sehr gute Ansätze und Tendenzen. So konnte man sich mit beiden Teams für die Weltmeisterschaften qualifizieren und auch im Massenlauf gab es je 2 Starter. Auch alle anderen Strecken wurden durch erfahrene Sportler besetzt

DESGphoto Jan van Veen DESGphoto / L. Hagen

Ein neuer Sportdirektor sollte es richten und den angeschlagenen Verband wieder auf Spur bringen. Aber nicht nur Robert Bartko sollte neue Impulse geben, sondern mit Jan van Veen wurde (nach Bart Schouten) wieder ein erfahrener niederländischer Trainer geholt. Eine der wohl größten Änderungen: jeder Sportler sollte in der neuen Struktur trainieren und Sonderwege sollten wegfallen. Sicherlich ein guter Anfang! Schade nur, dass es nicht funktioniert hat, denn die Bestplatzierten bei diesen Spielen waren ausschliesslich Sportler, die außerhalt des Systems “Bartko-van-Veen” trainiert haben.

Dennoch führte es zu der Situation, dass sich mit Marco Weber und Alexej Baumgärtner gleich zwei erfahrene Teamläufer aus dem Leistungssport verabschiedeten und auch Patrick Beckert suchte für sich einen Weg nach Pyeonchang ohne jegliche Förderung der DESG. Claudia Pechstein macht sowieso ihr “eigendes Ding”. Felix Rhijnen, als Inline-Skater schon mit guten Leistungen über 5000m sah ebenfalls keine Möglichkeit der Entwicklung auf dem Eis, nachdem er, obwohl qualifiziert, nicht zum Weltcup nach Hamar eingeladen wurde.

Positiv formuliert gab es nun die Möglichkeit eines kompletten Neuaufbaus der Mannschaft mit jungen Sportlern. Leider gab es die zu diesem Zeitpunkt nicht, der Umbruch und der Aufbau im Juniorenbereich dauert nunmal eben seine Zeit und kann wohl erst im kommenden Olympiazyklus fruchten. Einzig Joel Dufter gelang in den letzten 4 Jahren ein deutlicher Sprung hin zum Top-10 Läufer im Weltcup.

Durch die rigide und wenig diskussionsfreudige (um es positiv zu formulieren) Art, besonders seitens des Sportdirektors, wurde salopp gesagt in den letzten 3 Jahren sehr leichtfertig mit dem ohnehin knappen Humankapital innerhalb der DESG umgegangen. Nicht nur etliche Sportler aus dem Senioren- und Juniorenbereich wurden durch die neue Linie der „harten Kante“ verschreckt, entmutigt oder gar zum Karriereende getrieben. Auch zahlreiche erfahrene Trainer resignierten unter der neuen Führung, oder gaben aus persönlichen Gründen ihre Tätigkeit im Sport auf. Allein der Stützpunkt Berlin verlor in den letzten 4 Jahren mit Thomas Schubert (Rente), Sabine Diehn (Quereinstieg Schule), André Unterdörfel (Quereinstieg Schule), André Hoffmann (Wechsel nach Dresden) und Karin Drbal (Rente) 5 erfahrene Trainer, deren Weggang im Stützpunkt nur schwer zu kompensieren war. Hierbei war fehlende Wertschätzung ihrer Arbeit eine oft genannte Begründung, wenn man sie an alter Wirkungsstätte wieder traf.

Junioren im Aufwind

Positiv muss man hingegen die Entwicklung in den letzten beiden Jahren unter Eric Bouwman als Bundestrainer der Junioren betrachten. Es kommen inzwischen ein paar Jungs und auch zwei Mädchen mit hoffnungsvollen Vorleistungen aus dem Juniorenbereich heraus. Und auch in den unteren Altersklassen zeigt die verbesserte technische Ausbildung Wirkung. Insofern darf man sich sicherlich auf die in zwei Wochen stattfindende Weltmeisterschft der Junioren in Salt Lake City freuen.

Leider wirken sich die Leistungen der Junioren jedoch nicht auf die DOSB Sportförderung aus und so bleibt abzuwarten (nachdem auch die DKB als Hauptsponsor sich Mitte 2018 zurückziehen wird), welche finanziellen Mittel der Verband in den kommenden Jahren zur Verfügung haben wird.

Wir ALLE sind der Verband

Insgesamt sind die Läuferzahlen im Eisschnelllauf und auch im Short-Track weiter rückläufig. Es gibt weiterhin kein wirkliches gemeinsames Nachwuchskonzept von Short-Track und Eisschnelllauf. Es ist weiterhin kein durchgreifendes Konzept einer gemeinsamen Ausbildung von Eischnellläufern und Inline-Skatern erkennbar.*

Diese drei Sportarten haben in ihrer Charakteristik einfach zu viele Überdeckungen, als dass man nicht hier eine grundlegende Zusammenarbeit initiieren müsste. Es fehlt an Leitfiguren und Vorbildern für die jungen Sportler, um diesen harten Weg des Leistungssports zu gehen und es fehlt letztlich Führungsqualität in der Spitze des Verbandes, solche durchgreifenden Veränderungen positiv in alle Ebenen hineinzutragen und einen neuen Spirit des Um- und Aufbruchs zu erzeugen.

Um Uwe Hüttenrauch aus einem Zitat hier auf der Webseite zu zitieren: “Wir ALLE sind der Verband, sagt ja eigentlich schon der Begriff Verband, das müssen aber auch ALLE begreifen! Im Umkehrschluß bedeutet das aber nicht, dass es KEINE Verantwortlichkeiten gibt. Wenn wir in der Zukunft erfolgreich sein wollen, nützt uns der ausschließliche Import von niederländischen Know-how nichts, sonder WIR müssen aus der Siedlung DESG eine Stadt DESG MACHEN! […] WIR wollen eine starke DESG, d.h. aber auch nicht, ein Verzicht auf einen Blick über den Tellerrand! Lohnt evtl. auch mal ein Blick nach Polen, Tschechien, Norwegen.”

* hinzu kommt eine offensichtlich Unkenntnis (siehe ARD Interview vom 24.02.2018) der Leistungen deutscher Sportler besonders im Inline-Bereich.