Das waren die Olympischen Spiele

AUTHOR: SSN Friday, February 21, 2014 TOPIC: Eisschnelllauf

DESGphoto Robert Lehmann DESGphoto / L. Hagen

Eisschnelllauf ist nun einmal Volkssport in unserem Nachbarland. Und dann waren da in Sotschi aber auch noch die recht überraschenden Leistungen einer Olga Graf oder eines Zbigniew Brodka, die sicherlich nur die wenigsten Beobachter auf der Liste der Medaillengewinner hatten. Olympia hat eben seine eigenen Regeln – um diese oft bemühte Floskel auch einmal zu verwenden.

Und was war mit den deutschen Athleten…? Was soll man sagen, außer dem schon Bekannten: keine Medaille nach 50 Jahren. Aber waren unsere Sportler wirklich so schlecht oder die anderen Nationen einfach nur so viel besser? Gerne erinnert man sich in solchen Momenten an Zeiten zurück als drei Deutsche auf dem Treppchen standen. Dies ist zwar schon eine Weile her, jedoch nicht so lange, als dass es bereits vergessen wäre.

Fakt ist, dass bereits im Vorfeld Claudia Pechstein und Jenny Wolf die einzigen beiden ernst zu nehmenden Medaillenhoffnungen im deutschen Team waren. Sie sollten die vom DOSB ausgegebene Parole „der zwei Medaillen bei Olympia holen. Das dies nicht gelungen ist, ist nun allseits bekannt. Aber ist das ein Drama? Sicherlich nicht, zumindest nicht für Claudia & Jenny als Personen!

DESGphoto Jenny Wolf DESGphoto / L. Hagen

Jenny Wolf, die ihre Kariere nach dieser Saison (leider) beenden wird, hat in den vergangenen Jahren die Sprintszene wie keine andere beherrscht und angeführt – immer im Duell mit den Asiaten Sang-Hwa Lee und Beixing Wang oder auch einer Margot Boer. Sie hat ihre Leistungen erbracht und die „Tradition“ erfolgreicher Sprinterinnen, wie Christa Rothenburger bis hin zu einer Monique Garbrecht-Enfeldt oder Franziska Schenk fortgeführt. Eine Tradition, die mit ihrem Karriereende aussterben wird. So ist es als Zuschauer vor allem schade, dass sie ihre Kariere nicht mit einem erneuten Podestplatz bei Olympia küren und ausklingen lassen konnte. Aber so ist der Sport.

DESGphoto Claudia Pechstein DESGphoto / L. Hagen

Aber das waren bei weitem nicht die einzig guten Leistungen bei Olympia. Wer hätte im Vorfeld der Spiele ernsthaft damit gerechnet, dass ausgerechnet die in der Vergangenheit so viel gescholtenen Männer mit Nico Ihle und Samuel Schwarz Platz 4 und 5 über die 1000m erlaufen? Das war ein Achtungszeichen! Auch auch die Leistungen einer Bente Kraus, eines Patrick Beckerts und eines Moritz Geisreiters darf man nicht geringschätzen, auch wenn es nicht zu einer Medaille gereicht hat. Diese Sportler haben ihr Möglichstes gegeben und sich „gut verkauft“.

DESGphoto Nico Ihle DESGphoto / L. Hagen

Leider war dies im Vergleich zu den vorangegangenen Jahrzehnten jedoch nicht genug. Denn vor allem bei den Spielen zählt am Ende (nur) das Edelmetall am Hals!

Jetzt könnte die Olympia-Aufarbeitung eigentlich schon zu Ende sein, wenn da nicht noch diese Nebenschauplätze gewesen wären, über die in der Presse so viel geschrieben stand und die ausgerechnet von Anni Friesinger-Postma angezettelt werden mussten.

Scheinbar hatte Anni, nachdem ihre „VOX-Kenianer“ wieder in ihrer Heimat sind (?) und das vorkoloniale Zurschaustellung im Fernsehen ein Ende gefunden hat, nichts besseres zu tun, als ausgerechnet während der Spiele mit ihrer Kolumne Stimmung zu machen und ihre durch das gemeinsame Management verbundene Freundin, Stephanie Beckert, die mediale Vorlage in einen „Zickenkrieg Reloaded“ hineinzuziehen. Wenn man die Berichte in der Presse verfolgt hat, dann darf man schon die Frage stellen, wie so etwas geschehen konnte, wenn zum einen (wie behauptet) Stephanie Beckert mit einem solchen Druck nicht umgehen kann und zum anderen (nicht erst seit Sotschi) ohnehin vergangene Leistungsstärke vermissen ließ.

DESGphoto Stephanie Beckert DESGphoto / L. Hagen

Bleibt am Ende die wohl wichtigste Frage, wohin sich der deutsche Eisschnelllauf entwickeln wird? Die Verantwortliche im Verband, allen voran Günter Schumacher (Sportdirektor) und Gerd Heinze (Präsident) wurden ja in den vergangenen Tagen nicht müde von Veränderungen und Einschnitten zu berichten. Doch was bedeutet das? Ein Ergebnis wie in Sotschi war doch schon lange abzusehen und eigentlich schon in Vancouver nicht ganz unwahrscheinlich. Seither sind vier Jahre vergangen. Die in den vergangenen Jahren zur Schau gestellte Vogelstrauss-Taktik konnte niemals funktionieren. Unabhängig von den mahnenden Stimmen aus der Öffentlichkeit: das muss auch dem Verband klar gewesen sein.

Bei den letzten Spielen haben Jenny Wolf, Claudia Pechstein, Anni Friesinger-Postma, Daniela Anschütz-Thoms, Stephanie Beckert und Katrin Mattscherodt (im Team) den Verband noch einmal gerettet, und das es um den Nachwuchs schlecht bestellt ist, ist auch keine Neuigkeit. Beim alljährlichen Medienseminar der DESG wurde dies gebetsmühlenartig wiederholt und den Journalisten erzählt, das neue Konzepte her müssten. Und das nicht erst seit letztem Jahr! Jedoch wurde bisher noch nie solch ein neues Konzept öffentlich präsentiert. Stattdessen wurde darauf verwiesen, dass die Nachwuchsförderung Aufgabe der Vereine und nicht des Verbandes sei. Was also wurde konkret unternommen, um die jetzige Situation zu rechtfertigen?

Man muss sich das einmal vorstellen: wir verfügen in Deutschland über eine der weltweit am Besten ausgebautesten Infrastrukturen mit drei Hallen, Sportmedizin, FES, Forschung und und und. Trotzdem gelingt es nicht moderne Trainingsprinzipien umzusetzen! Unterhält man sich mit Trainern anderer Nationen, aus den Niederlanden, Kanada oder den Vereinigten Staaten erfährt man vieles über alternative Trainingsmethoden unter weit weniger optimalen Situationen.

DESGphoto Bart Schouten DESGphoto / L. Hagen

Dennoch kann man schon behaupten, dass man in Deutschland innovativ ist/war. So hatte man z.B. nach Vancouver den halbherzigen Versuch unternommen hier etwas zu ändern und Bart Schouten als Trainer engagiert. Leider wurde dieses „Experiment“ jedoch auch (vor)schnell wieder beendet und man verfiel in alte Muster. Umso schöner war es in Sotschi zu sehen, wie genau dieser Bart Schouten mit Denny Morrison gleich zwei Silbermedaillen als Trainer gewonnen hat. Offensichtlich waren seine Konzepte doch nicht so ganz verkehrt…

Als Bart Schouten zu seiner Zeit als Bundestrainer in einem Interview (sinngemäß) den deutschen Eisschnelllauf mit tschechischen Verhältnissen verglich, wenn sich nichts ändern würde, wurde er abgestraft und gescholten. Ironischerweise: Tschechien, das nicht einmal über eine eigene Halle verfügt, hat mit Martina Sablikova eine Medaillengewinnerin und die Juniorenweltcups zeigen etliche Talente als potentielle Nachfolger auf. Kleine Anmerkung: Tschechien hat uns hier bereits überholt und die durch ihn damals aufgezeigte Zukunft ist schon längst Realität!

DESGphoto Marion Wohlrab DESGphoto / L. Hagen

Wenn man dieser Tage Facebook und Co aufmerksam verfolgt hat, dann war dort viel aufgestauter Frust und Enttäuschung von aktiven und ehemaligen Protagonisten der Szene zu vernehmen. Aber auch, und das ist entscheidend, Leute, die immer noch für diesen Sport „brennen“, die Ideen haben und „machen“ wollen. Es wäre mehr als wünschenswert, wenn diese Personen endlich gehört würden!

 

Der Verband muss endlich aus seinem jahrzehntelangem Winterschlaf aufwachen und die Realität akzeptieren. Nicht aus der Notwendigkeit fehlender Leistungsträger heraus, sondern aus dem absoluten Willen den Eisschnelllauf in Deutschland nicht sterben zu lassen. Wie dies geht, haben andere Verbände schon vor 10 Jahren erkannt und umgesetzt. Biathlon und Skispringen haben hier gezeigt wie es gehen kann (auch wenn sie in Sotschi geschwächelt haben). DESGphoto Günther Schumacher DESGphoto / L. Hagen

Die Stichwörter hier heißen: Image und Marketing um nachhaltiges (Öffentlichkeits- und Medien) Interesse zu wecken. Nur mit Zuschauern begeistert man für diesen Sport – und nur wo Zuschauer sind gibt es Sponsoren und Medienechos. So schwer ist das nicht zu begreifen!

Was bleibt am Ende?

Kleine Anekdote am Ende: Auf einem Medienseminar der DESG vor einigen Jahren wurde durch Günther Schumacher nicht ohne Stolz berichtet, dass die DESG vor Curling der zweitkleinste Verband in Deutschland sei. Damals wurden auf die zahlreichen Medaillen verwiesen. Nun, die Medaillen gibt es nicht mehr, aber die Größe des Verbandes (ca. 1.200 Mitglieder) ist geblieben und das Abschneiden der Curler bei Olympia in Summe ungefähr gleich zum Eisschnelllauf. Kleine Denkaufgabe: Wie würde sich die damalige eine Medaille gewinnt?