Blick in die Historie der Europameisterschaft

AUTHOR: Dirk Gundel Tuesday, January 4, 2011 TOPIC: Eisschnelllauf

Wenn am Freitag die Europameisterschaft im Eisschnelllauf im italienischen Collalbo (Bild) startet, blickt dieser Titelkampf auf eine bereits 120jährige Historie zurück. Einen langen Weg gingen die Herren allein, die Wettkämpfe der Damen kamen erst in den 1970er Jahren dazu.

Der erste Titelkampf fand in Hamburg, einer der Eislaufhochburgen Europas, statt. Auf der noch heute vorhandenen Freifläche „Heiligengeistfeld“ wurden bereits seit den 1870er Jahren so genannte Spritzeisbahnen angelegt. Dazu wurde Wasser auf die Flächen gespritzt und nach dem Anfrieren die nächste Wasserschicht aufgetragen. Anstatt der Kühlanlage vertraute man auf die damals recht häufig vorkommenden eiskalten Winter.

Am 23. und 24.Januar 1891 wurde auf dem Heiligengeistfeld der erste Europameister ermittelt, 16 Läufer aus 5 Nationen kämpften um den Sieg. Am Ende durfte sich niemand Europameister nennen, da der Titel nur vergeben wurde, wenn es jemanden gelang zwei der drei Strecken für sich zu entscheiden. Erst Jahre später wurden die Platzierungen anhand der Platzziffern seitens der ISU festgelegt.

Auf dem Heiligengeistfeld stand eine riesige Eisfläche zur Verfügung und so wurden anstatt der heutigen 400 Meter Doppelbahnen eine 699,3 Meter Runde mit drei Bahnen errichtet. Auch die Kurven sind mit heute nicht vergleichbar gewesen, der Richtungswechsel erfolgte teilweise wesentlich spitzer, so dass die Läufer fast vollständig abbremsen mussten, wenn sie an die Wendemarke kamen.

Das erste Podium war breit verteilt, Gesamtsieger Adolf D. Norseng aus Norwegen (war schon im Jahr 1890 Weltmeister) siegte im Rennen über die Meile und in der Gesamtwertung. Silber ging an den Schweden Oscar Grundén der auch das Rennen über die Drittel Meile gewann. Der dritte Platz ging nach Berlin, allerdings nicht an einen Deutschen, sondern an dem seit 1887 in Berlin lebenden und trainierenden Emil Schou aus Dänemark.

Der Streckensieg über die drei Meilen und Platz vier in der Gesamtwertung gingen an August Underborg. Der Hamburger dürfte auch dem einen oder anderen Radsportexperten ein Begriff sein, bildete er doch zusammen mit seinem jüngeren Bruder Hugo bis Ende der 1890er Jahre ein sehr erfolgreiches Tandemgespann (Bild). Nur im hinteren Feld landete der damals erst 17jährige Jaap Eden, der zeitlebens keine Europameisterschaft zu Ende lief, aber zwischen 1893 und 1896 dreimal Weltmeister wurde. Nach Jaap Eden ist die Eisbahn in Amsterdam benannt.

Diesem ersten deutschen Teilerfolg sollten in den nächsten Jahren noch weitere folgen. 1893 bei den Titelkämpfen in Berlin fiel die Entscheidung über die Platzierungen erst in den Finalläufen über 500 und 1500 Meter. Dabei liefen die jeweils drei schnellsten des ersten Laufes den Streckensieger aus. Hier hatten die Deutschen Pech, weder Julius Seyler (500 Meter) noch August Underborg (1500 Meter) konnten ihren Vorlaufsieg wiederholen und mussten Rudolf Ericsson aus Schweden den Titel überlassen. In einer sehr spannenden Entscheidung belegten Underborg und Seyler die Plätze drei und vier.

In den Jahren danach gehörte Julius Seyler zu den besten Läufern der Welt, gewann Silber bei der EM 1895 in Budapest und sicherte sich 1896 in Hamburg und 1897 in Amsterdam jeweils den Titel. Julius von Salzen gewann 1896 zudem die Bronzemedaille.

Damit endete jedoch die deutsche Erfolgsgeschichte, nach 1897 gewann kein deutscher Eisschnellläufer mehr eine Medaille bei den Europameisterschaften.

Vierte Plätze errangen noch Gerhard Zimmermann (1968) und Andreas Ehrig (1984). Die letzten deutschen Streckensiege wurden in den Jahren 2000 und 2002 durch Frank Dittrich jeweils über die 10000 Meter errungen.

Anders die Norweger die die Statistiken mit 42 Gold-, 44 Silber- und 35 Bronzemedaillen souverän anführen.

In der Liste der erfolgreichsten Sportler tauchen die ganz großen Namen des Eisschnelllaufs auf:

Name Gold Silber Bronze Zeitraum
Rintje Ritsma (NED) 6 2 2 1992-2003
Clas Thunberg (FIN) 4 4 0 1922-1932
Sven Kramer (NED) 4 1 0 2005-2010
Ivar Eriksen Ballangrud (NOR) 4 0 2 1927-1938
Oscar Mathisen (NOR) 3 2 1 1908-1914
Hjalmar Johan Andersen (NOR) 3 2 0 1949-1954

Titelverteidiger Sven Kramer wird in diesem Jahr jedoch nicht antreten, so dass der Weg frei für einen neuen Titelträger ist. Lediglich der Italiener Enrico Fabris kann sich im Teilnehmerfeld bereits als Europameister bezeichnen, er siegte im Jahre 2006 in Hamar.

Die Frauen wagten zwischen 1970 und 1974 den Versuch eine Europameisterschaft auszurichten. Es fanden sich jedoch kaum Veranstalter, da die Damenrennen damals nicht so beliebt waren. Diese erste Periode brachte auch noch keine deutschen Erfolge, die beiden damals besten deutschen Läuferinnen (Monika Pflug und Ruth Schleiermacher) waren beide stärker auf den Sprintstrecken.

Erst 1981 ging es mit der Europameisterschaft der Frauen weiter. Diese sollten ab diesem Zeitpunkt eine fast nicht enden wollende Erfolgsgeschichte für die Deutschen werden. 1981 und 1982 gingen die Titel noch an die Sowjetunion, ab 1983 war die Europameisterschaft fest in deutscher Hand.

Dabei gelang es über drei Jahrzehnte die Rücktritte der erfolgreichen Generation mit dem nächsten starken Jahrgang auszugleichen. Als 1988 die großen Läuferinnen der DDR (Andrea Ehrig, Karin Kania, Gabi Schönbrunn, Sabine Brehm) zurücktraten, hatte die internationale Konkurrenz die Hoffnung, die deutsche Vorherrschaft zu brechen. Die neue deutsche Generation raubte diese Hoffnung eindrucksvoll. Dreifacherfolg bei der Europameisterschaft 1989, angeführt von einer Gunda Kleemann später unter dem Namen Gunda Niemann-Stirnemann erfolgreichste Eisschnellläuferin aller Zeiten.

DESGphoto Gunda Niemann-Stirnemann DESGphoto / L. Hagen

Seit 1991 werden die Titelkämpfe für Damen und Herren zusammen ausgetragen, die Erfolgsgeschichte der Deutschen setzte sich fort. Es gab nur wenige Ausnahmen bei denen der Titel nicht nach Deutschland ging, im Jahr 1993 war Gunda Niemann-Stirnemann über 500 Meter gestürzt und verlor sechs Sekunden auf die Konkurrenz, am Ende wurde die Erfurterin trotzdem noch Sechste. Heike Warnicke musste sich im Kampf um den Titel knapp geschlagen geben. Der Titel ging an die Österreicherin Emese Nemeth-Hunyady, die nach 10 Siegen in Folge die deutsche Dominanz kurz unterbrach.

Auch im Jahr 1997 ging der Titel nicht nach Deutschland, allerdings wurde mit ungleichen „Waffen“ gekämpft. Die Niederländerinnen liefen mit den neuen Klappschlittschuhen und steigerten ihre Leistungen gewaltig. Gold ging an Tonny de Jong, die diesen Erfolg überraschend 1999 wiederholen konnte.

Bis 2006 setzte sich die deutsche Erfolgsgeschichte fort, dann gab es 2007 und 2008 zwei Jahre in denen erstmals seit Neueinführung der EM keine deutsche Läuferin auf dem Podium stand. 2009 mit Gold und Silber gab es noch einmal eine Renaissance für die DESG-Damen.

Im letzten Jahr hielt Daniela Anschütz-Thoms die Fahnen der Deutschen hoch und erkämpfte die Bronzemedaille.

Nach dem Rücktritt von Daniela steht erstmals seit 30 Jahren keine Mehrkämpferin von Rang einer neuen Generation zur Verfügung, so dass die Erfolgsgeschichte der deutschen Damen, hoffentlich nur für kurze Zeit, erst mal zu Ende geht.

Die Führung in der Nationenwertung wird den deutschen Damen dabei aber lange Zeit nicht abhanden kommen, mit 22 Gold-, 18 Silber- und 9 Bronzemedaillen liegt die DESG mit großem Abstand vor der Konkurrenz. Dementsprechend führen die Deutschen die Liste der erfolgreichsten Starter souverän an:

Name Gold Silber Bronze Zeitraum
Gunda Niemann-Stirnemann (GER) 8 3 0 1988-2001
Anni Friesinger-Postma (GER) 5 1 0 1998-2005
Andrea Ehrig-Mitscherlich (GER) 5 0 0 1983-1988
Claudia Pechstein (GER) 3 5 2 1996-2009
Atje Keulen-Deelstra (NED) 3 0 0 1972-1974
Nina Statkevitsj (URS) 2 2 1 1970-1974
Martina Sablikova (CZE) 2 0 2 2007-2010

Letztmals fand eine Europameisterschaft auf einer Freiluftbahn im Jahr 2007 statt, ebenfalls in Collalbo und bei hervorragenden Wetterbedingungen. Bleibt dem Gastgeber zu wünschen ähnliches Glück mit dem Wetter zu haben, um faire und gerechte Wettkämpfe durchführen zu können.